Wasserstoffderivate – Der Ammoniak “Ramp-Up”

Der weltweit erste Ammoniak-Cracker mit einer Kapazität von 30 Tonnen pro Tag wurde kürzlich im Hafen von Antwerpen vom Gashersteller Air Liquide in Betrieb genommen. Auch Uniper und thyssenkrupp Uhde wollen den Bau großtechnischer Ammoniak-Cracker vorantreiben. Doch welche Rolle soll Ammoniak im Wasserstoffhochlauf einnehmen? Gilt das Molekül als Nischenprodukt oder könnte es sogar der Schlüssel zum globalen Wasserstoffhandel sein? PSvdL gibt eine Einschätzung. 

Die Doppelrolle von Ammoniak

Ammoniak entsteht aus Wasserstoff und Stickstoff im bewährten Haber-Bosch-Verfahren und kann den Wasserstoff chemisch gebunden über große Distanzen transportieren. Derzeit wird Ammoniak vor allem als Grundstoff für Düngemittel verwendet, könnte jedoch in Zukunft auch vermehrt energetisch genutzt werden: Entweder als Transportmedium für Wasserstoff für die benötigten Importe oder direkt als Brennstoff. Besonders im Schiffsverkehr gilt Ammoniak als vielversprechende Option zur Dekarbonisierung, da es ohne Rückumwandlung als Treibstoff eingesetzt werden kann.

Ammoniaks große Stärke: Es gibt schon einen Markt!

Ammoniak kann bereits heute weltweit produziert, verschifft und gelagert werden. Die erprobte Infrastruktur und die günstigen molekularen Eigenschaften, wie beispielsweise eine hohe volumetrische Energiedichte, verschaffen Ammoniak klare Kostenvorteile beim Transport. Andere Derivate wie LOHC oder Methanol sind in der Bereitstellung deutlich teurer. Neben dem Vorteil der Transportierbarkeit lässt es sich zudem sehr gut speichern. Nachteilig sind jedoch u.a. die hohen Kosten und Energieverluste bei der Rückumwandlung.

Chancen und Herausforderungen

Im Jahr 2020 wurden weltweit rund 180 Millionen Tonnen Ammoniak produziert, der größte Teil davon in China. In Europa ist Deutschland der wichtigste Produzent: Die jährliche Produktion liegt bei etwa 3 Millionen Tonnen. Für das Jahr 2050 wird der weltweite Ammoniakbedarf auf mindestens 270 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Auch der Bedarf in Deutschland dürfte im Zuge des Wasserstoffhochlaufs deutlich steigen. Um diesen Bedarf zu decken, sollen ab 2027 erstmals Importe von insgesamt 259.000 Tonnen grünem Ammoniak aus Ägypten erfolgen.

Eine zentrale Herausforderung besteht weiterhin in der Auswahl geeigneter Standorte für Ammoniak-Cracker. Zur Diskussion stehen dabei sowohl zentrale Anlagen in Hafennähe als auch dezentrale, durch bahn- oder binnenschiffangebundene Standorte in unmittelbarer Nähe der Wasserstoffabnehmer. Air Liquide hat darauf eine erste Antwort gegeben.